Ihr kommt super miteinander aus, könnt gemeinsam lachen, Netflix schauen und reden. Doch plötzlich ist alles vorbei. Du fragst, wieso, und die Antwort ist nur: „Sorry, ich bin leider beziehungsfähig.“ Zurück bleibt nicht nur ein gebrochenes Herz, sondern auch die Frage, ob Du irgendetwas falsch gemacht hast.
Die Antwort darauf ist meist: wahrscheinlich nicht.
Mythos und Wahrheit der Generation beziehungsunfähig
Wieso nimmt dieses Thema sowohl bei Frauen als auch Männern einen so wichtigen Stellenwert ein?
Gängige populärwissenschaftliche Ansätze beleuchten das Problem aus verschiedenen Perspektiven.
Wandel der Geschlechterrollen
Bindungsprobleme, Promiskuität und Freiheitsdrang sind heutzutage nicht mehr reine „Männersache“. Auch Frauen, die keine Beziehung führen können, sind auf dem Vormarsch. Gerade ihnen wird eine starke Bereitschaft zugesprochen, eine nicht zufriedenstellende Bindung schnell zu beenden.
Narzissmus
Es gibt Autoren von Internet-Blogs, die darin ein gesamtgesellschaftliches Problem sehen.
Beziehungsunfähigkeit wird so auf einen wachsenden Narzissmus zurückgeführt. Die Liebe wird zum Ego-Trip und der Partner erfährt nur noch wenig Beachtung. Um den Selbstwert im Außen zu stärken, werden Partnerschafen oft zu Abhängigkeiten. Damit der Partner nicht flieht, sobald er die narzisstischen Muster erkennt, möchte der beziehungsunfähige Mensch entgegenwirken. Genau so entstehen wechselnde On-Off-Beziehungen.
Verfall von Traditionen
Auch der Verfall von Traditionen wird als Ursache für dieses Phänomen betitelt. Ob eine Partnerschaft stabil ist oder nicht, hängt demnach primär von der individuellen sozialen Kompetenz ab.
Diese aber kann zum massenhaften Versagen im Beziehungsverhalten führen.
Beziehungsunfähigkeit als Ausrede
Ausrede bedeutet, dass im Kern mehr dahinter steckt, als jemand zugeben möchte.
Daher gilt, nimm diese Aussage nicht einfach hin und vor allem, benutze sie selbst nicht. Es gibt viel Literatur zu diesem Thema. Immerhin hat sich die Partnersuche gerade seit der Generation Tinder stark gewandelt. Mehr Egoismus hat Einzug erhalten. Beide Geschlechter sind gleichermaßen betroffen.
Manche Autoren vergleichen einen liebenden Menschen mit Kunden einer Dienstleistung. Das lässt sich besonders an single Apps, die wie Online-Shops aufgebaut sind, erkennen: Ein paar Filtereinstellungen vornehmen, sein vermeintliches Produkt definieren und Suche starten. Fast wie beim Einkaufen. Doch auf diese Weise kultivieren wir Unverbindlichkeit und richten uns bequem darin ein.
Aber anstatt sie zu überwinden, geben wir ihr das Label „beziehungsunfähig“ und machen weiter wie zuvor. Fast schon, als würden wir vergessen, dass Menschen keine Waren sind, die es bald in einer besseren Version zu kaufen gibt.
Was steckt dahinter?
Wenn Bindungsunfähigkeit eine Ausrede ist, fragst Du Dich bestimmt, was sich dahinter verbirgt. So kann sie beispielsweise eine Ausrede dafür sein, wenn Dir jemand nicht gut genug ist. Getreu dem Motto:
„Gemeinsam Zeit verbringen ist okay. Aber eine richtige Partnerschaft anfangen? Lieber nicht.“
Sich als nicht beziehungsfähig einzustufen kann auch als Ausrede dafür dienen, dass noch Gefühle für den oder die Ex bestehen. Ohne es sich selbst oder der Umwelt einzugestehen: Für eine neue Liebe ist einfach nicht genug Energie vorhanden.
Manchmal kommt die Ausrede auch zum Einsatz, wenn das Interesse an einem Menschen nicht über Sex hinausgeht. Der eine ist mit Sex begnügt, der andere wünscht sich Frühstück im Bett und romantische Spaziergänge. Wenn man sich keine gemeinsame Zukunft vorstellen kann, ist es viel einfacher, die Schuld auf sich zu nehmen und zu gehen.
Jedoch ist das eine sehr fiese Taktik, weil der andere bewusst getäuscht wird.
Wieso viele Menschen nicht einfach sagen, was wirklich los ist, hat verschiedene Gründe.
Manche sind konfliktscheu, sodass es ihnen schwerfällt, in eine offene Kommunikation mit anderen zu gehen. Und je emotionaler die Umstände, desto schwieriger wird es. Sich die Bindungsunfähigkeit einzugestehen ist einfacher als seine Angst.
Zudem ist die Ausrede bequem, denn Dingen ein Etikett zu verleihen, ist beruhigend.
Es gibt einem das Gefühl, nicht allein zu sein.
Aber lass dir eine Sache sagen:
Du bist sehr wahrscheinlich nicht beziehungsunfähig. Du hast sehr wahrscheinlich einfach nur Angst oder willst nicht an dir arbeiten.
Angst vor Liebe und Liebeskummer
Wer beziehungsunfähig ist, hat meist auch Bindungsangst.
Die Ursache liegt in schlechten Kindheitserfahrungen. So können beispielsweise der Verlust eines Elternteils oder eine Scheidung Störungen hervorrufen. Aus der Befürchtung heraus, die Verletzung oder den Verlust nicht noch einmal erleben zu wollen, entwickeln Betroffene eine Abwehrhaltung, die sie fälschlicherweise als emotionale Unabhängigkeit betiteln.
Bei Männern ist der Rückzug aus festen Bindungen ein häufiges Mittel, um negative Erfahrungen im Vorfeld von sich abzuwenden. Frauen dagegen leiden mehr unter Trennungsschmerz und weil sie nicht wissen, wie sie den Liebeskummer überwinden sollen, möchten sie eine Trennung um jeden Preis verhindern.
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Ich-Bezogenheit und Selbstwertverlust
Eine Studie der Universität Buffalo konnte herausfinden, dass Männer in Bezug auf Anspruchs- und Autoritätsdenken deutlich egoistischere Züge aufweisen als Frauen. Das zeigt sich vor allem im Berufsleben. Dennoch ist die Ich-Bezogenheit bei beiden Geschlechtern vertreten. Entsprechende Charakterzüge weisen sich beispielsweise durch Kompromisslosigkeit aus, damit der Selbstwert ja keinen Schaden nimmt. Das Ergebnis sind Verlustängste und Kontrollzwänge, die die Partnerschaft auf lange Sicht zerstören.
Angst, sich selbst aufzugeben
Gerade der Kinderwunsch öffnet ein riesiges Fass an Verbindlichkeiten, das beziehungsunfähige Menschen schwer ertragen können.
Männer, die einen ausgeprägten Karrierefokus haben, hasten so von einer Bindung in die andere, um ihre beruflichen Ziele nicht von Kinder- und Familienplanungen gefährden zu lassen. Doch auch Frauen weisen negative Verhaltensmuster auf, indem sie nach Partnern suchen, die ihren Vorstellungen und Zielen entsprechen. Die Furcht vor Selbstaufgabe bewirkt also bei beiden Geschlechtern, dass eine gleichwertige Partnerschaft nicht möglich ist.
Das Gefühl, etwas zu verpassen
Die Angst davor, etwas zu verpassen, ist bei beiden Geschlechtern vertreten.
In jungen Jahren haben sexuelle Experimentierfreudigkeit und Neugier die Oberhand. Wer nicht fähig für ein richtiges Verhältnis ist, sucht sich halt unverbindliche Zwischenmodelle. Sie möchten sich nicht festlegen, weil sie selbst noch in einer Findungsphase sind oder auch einfach ihre Freizügigkeit als Single genießen wollen. Doch genau diese Lebenseinstellung kann Menschen selbst im fortgeschrittenen Alter noch davon abhalten, eine Beziehungsverpflichtung einzugehen oder sich endgültig zu binden.
Verkopft und ohne Vertrauen
Auch eine zu sture Denkweise kann eine Partnerschaft zerstören, denn ein Gedankenchaos engt ein. Wer keine klaren Vorstellungen von einem Partner hat oder nur rationale Kriterien betrachtet, ist emotional eventuell stark distanziert. Meist ist mangelndes Urvertrauen Schuld daran, dass keine glückliche Beziehung geführt werden kann.
Wirklich beziehungsunfähige Menschen – gibt es sie?
Schätzungen zufolge haben etwa 30 bis 40 Prozent der Menschen wirklich Probleme in Partnerschaften, behaupten führende Psychotherapeuten. Bindungsangst ist daher als ernste psychische Störung zu betrachten, die beispielsweise mit Therapien behandelt werden muss. Denn sie umfasst nicht nur Liebesbeziehungen, sondern auch andere Verhältnisse zu Menschen.
Die Wurzeln für eine solche Bindungsstörung liegen meist in der Kindheit. Viele Menschen leben seitdem mit dem Gefühl, dass sie so, wie sie wirklich sind, nicht geliebt werden können. Sie fürchten sich davor, Erwartungen nicht erfüllen zu können.
Das passiert schnell, wenn Eltern ihre Liebe an bestimmte Erwartungen knüpfen. Dann wachsen Kinder mit dem Glaubenssatz auf, sie dürften in zwischenmenschlichen Bindungen nicht authentisch und sie selbst sein. Vielleicht plagt sie das Gefühl, sich zu verlieren. Mögliche Folgen sind: Rückzug, Ausbruch und Freiheitsdrang.
Aber kann man etwas tun, wenn der Partner ernsthafte Probleme hat und nicht beziehungsfähig ist? Der wohl beste Weg, um es zu heilen, ist: Allen Mut zusammennehmen und ansprechen. Erst wenn sich jemand seiner Prägung bewusst wird, kann er sie ändern.
Beziehungsunfähigkeit heilen – 5 gesunde Wege aus der Beziehungsunfägikeit
Ganz egal, ob es sich um eine Ausrede oder ernsthafte Störung handelt, das Ergebnis bleibt wahrscheinlich identisch. Das Verhältnis wird nicht funktionieren. Auf keinen Fall sollte man anfangen, den anderen zu überreden. Das tötet allenfalls den Selbstwert, rettet die Partnerschaft aber fast nie.
Weg 1: Entspannt starten
Bevor es ums Frauen ansprechen und flirten lernen geht, sollte der erste Schritt darin bestehen, loszulassen. Lasse Deine Vergangenheit hinter Dir, gerate nicht in Stress aufgrund einer perfekt durchdachten Lebensplanung und schau unvoreingenommen in die Welt. So können Meditation oder der offene Austausch mit Freunden dabei helfen, einen entspannten Neuanfang zu wagen.
Das wiederum ist die beste Ausgangslage für eine feste Bindung.
Weg 2: Innere Balance
Die Grundlage für alles Weitere ist ein gutes Verhältnis zu sich selbst.
Und tatsächlich kann dieses Fundament Bindungsunfähigkeit heilen. Erkenne Deinen Selbstwert, denn nur dann bist Du in der Lage, eine innere Balance herzustellen und gesunde Partnerschaften aufzubauen. In diesem Rahmen kann es auch wichtig sein, zu lernen, sich zurückzunehmen. Nur so kannst Du ein gesundes Bindungsverhalten aufbauen, das ausreichend Distanz und Nähe gewährt.
Weg 3: Kriterien für die Partnersuche
Vielleicht kennst auch Du das Gefühl, an den falschen Partner zu geraten oder immer nur das ein und selbe Beuteschema zu verfolgen. Manchmal tut es gut, genau diese Auswahlkriterien zu überdenken. Denn offenbar begünstigen sie die Beziehungsunfähigkeit. Erweitere Deinen Fokus und ändere Deine Anforderungen für die Partnersuche. Konzentriere Dich lieber darauf, welche Vorstellungen Du von der Liebe und Deinem Partner hast.
Weg 4: Kontaktaufnahme
Zu viele Freunde, zu viel Arbeit und überhaupt, wie soll ich überhaupt Freundin finden (mit 30+)?
Vielleicht stellst Du dir solche und ähnliche Fragen und blockierst Dich damit selber. Tatsächlich sind das nur Ausreden, die Dich davon abhalten, neue Kontakte zu knüpfen. Fest steht aber, wenn Du nicht aus Deiner Komfortzone heraustrittst, wird sich auch nichts ändern können in Deinem Leben. Sei mutig und wage den ersten Schritt.
Weg 5: Sich den Spaß bewahren
Wie auch immer Du Dich entschließt, vorzugehen, bedenke: Du ziehst das an, was Du ausstrahlst. Schiebst Du Probleme und Ängste vor Dir her, dann wirst Du genau das anziehen, was diese Punkte schürt. Mit einer optimistischen und positiven Einstellung bei der Partnersuche hast Du dagegen mehr Chancen. Das gilt besonders für nicht beziehungsfähige Menschen, um aus den gewohnten Mustern auszubrechen.
Fazit
Wenn Du Dich fragst, warum Du single bist und keine Beziehung führen kannst, sei Dir gewiss: Daran kannst Du etwas ändern.
Es gibt viele Gründe, seine Bindungsprobleme zu pflegen und zu hegen. Vielleicht sind es Verlustängste, eine verschobene Alterswahrnehmung, fehlendes Selbstvertrauen oder der berufliche Fokus, die ausschlaggebend dafür sind. Doch wenn Du Dich an die genannten Tipps hältst und sie aktiv umsetzt, kannst Du aus dem Hamsterrad ausbrechen. Bleibe vor allem optimistisch und schalte Dein Bauchgefühl an. Damit hilfst Du dem Beziehungsglück am meisten auf die Sprünge.
Dominik van Awe